Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch.
Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. (Micha 6,8)
Eindeutig ist, was uns gebührt zu tun: Einander zu lieben, wie wir geliebt werden. Ohne wenn und aber. Daran werden wir an diesem Sonntag erinnert.
Es ist offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid durch unsern Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinernen Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln des Herzens. Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott. Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. (aus dem Zweiten Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth 3, 3-6)
Wir sind wie Briefe, die Jesus geschrieben hat. Was für ein Vergleich! Er fordert heraus, die Bedeutung dieses Bildes auszuloten.
Wer einen Brief schriebt, benutzt Papier. Es gibt viele unterschiedliche Arten von Papier. Wer schon einmal Papier geschöpft hat, hat ein Gespür dafür bekommen. Selbst geschöpftes Papier fühlt sich rauer an als maschinell hergestelltes, das wir kaufen können. Manchmal werden während des Herstellungsprozesses getrocknete Blütenblätter in die Pulpe gestreut, aus der der Bogen Papier geschöpft wird. Sie dienen dann der Zierde. Oder ein Wasserzeichen wird dem Bogen Papier aufgeprägt. Es dient auch der Zierde, soll aber auf bestimmten Papieren deren Echtheit und Herkunft beweisen.
Wenn nun wir als Briefe Christi bezeichnet werden, dann sind wir mit beschriebenen Bögen Papier zu vergleichen. Mit der Geburt liegt dieser Bogen Papier bereit, damit unsere Geschichte unserer Glaubenserfahrungen darauf festgehalten werden kann. Auf den ersten Blick ähnelt ein Neugeborenes einer tabula rasa – doch das nur in gewisser Hinsicht. Denn wenn wir geboren werden, hat sich uns bereits etwas eingeprägt. Unsere Eltern haben uns etwas mitgegeben. Auch die Launen der Natur hinterlassen von Anfang an ihre Spuren. Was unsere Lebensgeschichte ausmacht, hängt ab von dem, was uns in die Wiege gelegt worden ist.
Darauf aufbauend kann dann die Beschriftung erfolgen. Als man die Christen und Christinnen mit Briefen Christi verglich, hat es noch kein Telefon gegeben. Es gab auch noch keine Geräte, mit denen man zu jeder Tages- und Nachtzeit weltweit Emails oder kurze und kürzeste Nachrichten versenden konnte. Es blieb nur der Brief, um über Entfernungen hinweg in Verbindung zu bleiben. Aber vielleicht würden wir auch heute noch mit einem Brief verglichen werden und nicht mit einer Kurznachricht. Denn wer einen Brief schreibt, gibt viel preis. Man wählt meistens die Form des Briefes, um ganz Persönliches mitzuteilen, etwas, was einem am Herzen oder auf der Seele liegt. Und selbst wenn der Brief nicht sehr lang formuliert ist, wirkt er gewichtig. Wenn man einen Brief schreibt, ist es einem wichtig, mit dem Empfänger in Kontakt zu bleiben und ihm etwas Wichtiges mitzuteilen. Und wer einen Brief schreibt, nimmt sich Zeit. Nichts, was geschrieben worden ist, ist wirklich wieder zu löschen. Weder mit einem Radiergummi noch mit Tipp-Ex oder einem Tintenkiller. Man sieht den Fehler dauerhaft. Also überlegt man vorher genau, was man schreiben möchte – insbesondere dann, wenn man um den Wert des Papiers weiß.
Wir sind Briefe Christi. Wir können damit Botschafter und Botschafterinnen Gottes sein. Wir können mit dem, was wir sagen und tun, mit dem, was wir ausstrahlen, das Wichtigste, was es gibt, in die Welt tragen: nämlich die Botschaft der Liebe. Denn Schwarz auf Weiß steht es doch geschrieben, was gut ist, nämlich einander zu lieben. Ein Brief mit solcher Botschaft wirkt. Ein Brief liegt da. Genauso sind wir Christen und Christinnen allgegenwärtig. Wir können die personifizierte Erinnerung der Liebe Gottes sein.
Manchmal sind einem Brief Fotos beigelegt. Auch unsere Lebensgeschichten sind illustriert von Bildern, auch von verstörenden und störenden Bildern. Lassen Sie sie uns betrachten. Auf dem ersten sehen wir zwei Frauen. Es sind Ecclesia und Synagoga. Ecclesia sieht stolz in die Welt. Sie hält das Modell einer Kirche in Händen. Synagoga hat verbundene Augen, sie dreht sich weg. In Händen hält sie die zerbrochenen Gesetzestafeln. Auf einem Bild aus einem mittelalterlichen jüdischen Gebetsbuch findet sich eine Wendung dieses Figurenpaares. Wieder sind beide Figuren dargestellt. Diesmal hat aber Ecclesia die Augen verbunden als Zeichen des Nichtverstehens und der Desorientierung. Synagoga reicht ihr die Hand, um ihr zu helfen und um den Weg mit ihr gemeinsam zu gehen oder um ihn ihr zu zeigen. Und da ist noch ein drittes Bild den Briefen Christi beigelegt, ein Foto, aufgenommen vor der Universität in Philadelphia. Das sieht man darauf: Zwei Skulpturen sitzen nebeneinander. Sie sind einander offen zugewandt. Sie haben lange Haare und Gewänder und sind barfuß. Die linke hält eine Torarolle in der Hand, die rechte ein dickes Buch, die Bibel. Beide lesen in der Rolle beziehungsweise in dem Buch. Sie wirken wie ins Gespräch vertieft.
Warum diese Bilder? Der Abschnitt aus dem 2. Korintherbrief, der uns heute als Predigttext vorgeschlagen ist, wurde in der Geschichte der Kirche oft als Begründung für den Antisemitismus herangezogen: Der Neue Bund löse den Alten Bund ab. Der Buchstabenglaube würde abgelöst durch die Begeisterung. Das christliche Verständnis der Gottesbeziehung ersetze das jüdische. Die Kirche in dieser ihrer Selbstüberschätzung hat dies so öffentlich verkündet, und sie hat damit viel Schuld auf sich geladen. Sie tut anstelle dessen nach wie vor gut daran, ihr Verhältnis zu Menschen jüdischen Glaubens immer wieder zu prüfen und zu hinterfragen. Oder besser noch: Alle miteinander tun gut daran, im Gespräch über Glaubenserfahrungen und Lebensfragen zu bleiben. Das wäre ein bereichernder Austausch, der notwendig ist. Gerade in unserer Zeit kann nämlich der Glaube an den einen Gott, wie auch immer er sich manifestiert, wieder Hoffnung wecken und Wege in die Zukunft aufzeigen.
Und genau das und nichts anderes wurde uns ursprünglich in dem einen „Brief“ geschrieben, den wir aus der Hand zu legen tunlichst vermeiden sollten. Dieser eine „Brief“ ist nämlich das Fleisch gewordene Wort Gottes in dem Juden Jesus Christus, wie es uns zu lesen aufgegeben ist. Mit Jesus haben die Menschen damals erleben und verstehen können, was Gott ist. Und wir halten sein Wort und die Berichte über seine Taten immer noch in Händen – nicht umsonst auch in der Briefform, wie sie Paulus gewählt hat, um mit den Gemeinden in Verbindung zu bleiben. Wenn wir sie lesen, werden wir daran erinnert, was Gott uns eingeprägt hat.
Wir sind wie Briefe dieses Christus’ an unsere Welt. Wir sind dankbar dafür, dass sich Gott uns eingeprägt hat. Jetzt sollten wir uns nicht verstecken – wie Briefe aus längst vergangenen Tagen, die man in Briefumschlägen oder in alten Zigarrenkisten aufbewahrt wie altes Zeug von damals, also von vor der Zeit. Entfalten wir uns lieber und geben laut kund, was uns gesagt worden ist, nämlich nichts anderes, als Liebe zu üben. Amen.
Lasst uns beten:
Gott, hab Dank für Dein Wort, das uns immer wieder daran erinnert, was not tut, nämlich einander zu lieben.
Wir bitten Dich, erfülle das Miteinander unter Freunden und Freundinnen, in den Familien und Partnerschaften mit Deiner Liebe, dass man tagtäglich erlebt, wie wohltuend eine liebevoller Umgang ist.
Darin bestärkt lass die Liebe sich ausbreiten auch in den Kindergärten und Schulen, auf Arbeit, in den Geschäften und auf der Straße, im Gespräch über’n Gartenzaun, dass man sich zuhört, versucht zu verstehen, sich beisteht und hilft.
Was im Kleinen gelingt, lass auch im Großen Früchte tragen, dass die, die politsche Verantwortung tragen, auf dem Weg des Friedens unterwegs sind, dass sie gemeinsam nach Lösungen für unsere vielen Probleme suchen.
Das scheint eine Illusion zu sein. Manche winken ab. Deshalb bitten wir Dich umso mehr für Deine Kirche, dass sie vom Frieden träumt, lautstark und in vielen bunten Bildern, die die Menschen tief im Herzen berühren und ermutigen, die Hoffnung wecken und Türen öffnen in eine gute Zukunft.
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gibt uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden. Amen
Die Glocken unserer Kirche läuten zum Innehalten und zum Gebet: werktags um 8 Uhr, um 12 Uhr und um 18 Uhr.
Die Kirche ist Montag bis Freitag von 10-17 Uhr, am Samstag von 11-15 Uhr und am Sonntag nach dem Gottesdienst bis 13 Uhr geöffnet.
Das sind unsere Kontaktdaten:
Marion Steffen im Büro - 03834 2263 Pastor Dr. Bernd Magedanz - 03834 8477052 Pastorin Dr. Ulrike Streckenbach - 03834 886104 Angela Jütte im Treffpunkt Kirche - 03834 883375 Nachbarschaftshilfe - 0162 7687770
Wir grüßen Sie im Namen des Kirchengemeinderates und aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an St. Marien herzlich.
Ihre Pastorin Dr. Ulrike Streckenbach und Ihr Pastor Dr. Magedanz